Besuch des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände in Nürnberg

„Der Größenwahn und die „kranken Pläne“ der damaligen Zeit wurden deutlich.“

„Man hat dort einen Eindruck der Zeit des Nationalsozialismus gewonnen und kann sich die damalige Situation nun besser vorstellen.“

„Im Dokumentationszentrum habe ich zum ersten Mal gesehen und gespürt, wie größenwahnsinnig Hitler war.“

„Das Dokumentationszentrum und das Gelände sind beeindruckend; die Dimensionen von Hitlers Vorstellungen wurden mir hier bewusst.“

„Ich persönlich fand es interessant, die Dinge, die normalerweise im Unterricht besprochen werden, anschaulich und in Realität betrachten zu können“

Dies sind einige Eindrücke unserer Schülerinnen und Schüler aus den 11. Klassen, die sich in zwei Gruppen am 8. und 9. Juli bzw. dem 11. und 12. Juli 2019 mit ihren Geschichtslehrern in die Stadt Nürnberg begaben. Doch warum gerade Nürnberg? Die Stadtgeschichte verbindet die mittelfränkische Metropole untrennbar mit dem Nationalsozialismus, übte sie doch mit ihrem mittelalterlichen Charme und Vergangenheit eine große Anziehungskraft auf die Nationalsozialisten aus, die das Umfeld der Stadt zum Schauplatz für ihre pompösen Reichsparteitage nutzten. Deshalb war der Hauptprogrammpunkt unserer Bildungsfahrt der Besuch des Dokumentationszentrums sowie des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes, nicht nur weil die Aufarbeitung der NS-Diktatur im Lehrplan verankert ist, sondern auch weil die Geschichtsfachschaft der FOS Sonthofen dies als gewinnbringend für unsere Schülerinnen und Schüler ansieht.

Nach der Schule ging es für die Elftklässler mit dem Bus los. Am Abend erlebte die erste Gruppe eine Henkersstadtführung der anderen Art, ein gemeinsames Abendessen rundete den ersten Tag ab. Übernachtet wurde in der komfortablen Jugendherberge auf der Burg, um am nächsten Morgen um 9 Uhr das Programm im Dokumentationszentrum starten zu können. Die Klassen erhielten hier in drei Gruppen Führungen über das ehemalige Reichsparteitagsgelände und bekamen dabei einen Eindruck über den nationalsozialistischen Größenwahn: Abgesehen von der Tribüne am Zeppelinfeld, waren die meisten Bauten ohnehin nie fertiggestellt, vom geplanten Stadion war lediglich der Grundstein gelegt worden. Dieses hätte ca. 400 000 Menschen Platz bieten sollen. Am imposantesten fanden die meisten Teilnehmer die riesige Kongresshalle, für deren Bau auf der Außenseite Granitsteine verwendet wurden, deren Herstellung durch Zwangsarbeit erfolgte. Dagegen wurden im Innenbereich günstige Backsteine verwendet. Selbst an diesem baulichen Detail lässt sich die Strategie der Selbstinszenierung der Nazis verdeutlichen, da sie zum einen öffentliche Aufmerksamkeit erregen und zum zweiten die Bevölkerung von der Stärke der NSDAP überzeugen wollten. In einigen Workshops wurden unterschiedliche Aspekte der NS-Geschichte mit den Schülerinnen und Schülern („Führerkult und Volksgemeinschaft“, „Propaganda“, „Lebens(un)wert- Medizin im Nationalsozialismus“ oder „Jugend zwischen Widerstand und Anpassung“) thematisiert und diskutiert. Unabhängig davon an welchem Workshop die Schülerinnen und Schüler teilnahmen, oftmals gelangten sie zu den gleichen Ergebnissen: die totalitären Maßnahmen der Gleichschaltung (Ausrichtung von Staat und Gesellschaft auf die NSDAP und den Führer Adolf Hitler) dienten der Festigung der NSDAP-Herrschaft und der Etablierung einer NS-Volksgemeinschaft, die auf den Krieg vorbereitet und dazu bereit gemacht werden sollte die Vernichtung „unwerten Lebens“ auszuhalten und mitzutragen.

Sicherlich gibt es kritische Stimmen in Bezug auf den Besuch solcher Gedenkstätten, wie z.B. der finanzielle Aufwand, der Unterrichtsausfall, die Frage, ob die Schülerinnen und Schüler überhaupt die Reife besäßen sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen, etc. Zudem wird immer wieder kontrovers diskutiert, ob Aufklärungsarbeit über den Nationalsozialismus in den Dienst der Prävention von neuen Radikalismen gestellt werden kann. Dennoch: bei allen Argumenten, die hier aufgezählt werden könnten, sind meine KollegInnen und ich der Ansicht, dass bei den meisten Jugendlichen etwas zurückbleibt, über das sie sich austauschen wollen oder sie behalten etwas Eindrückliches in Erinnerung. Dies zeigte sich doch immer wieder in der Diskussionsbereitschaft der Teilnehmer und den nachdenklichen (wenn auch manchmal müden 😊) Gesichtern.

Nachmittags durften die Schüler die mittelalterlich geprägte Innenstadt Nürnbergs nochmals auf eigene Faust erkunden, bevor es am frühen Abend zurück nach Sonthofen ging. Kleiner Wehrmutstropfen: Leider mussten wir aufgrund von Stau den Besuch des Memoriums zu den Nürnberger Prozessen mit der zweiten Gruppe absagen.

An dieser Stelle gilt mein Dank meinen Kolleginnen Anna Hefele, Magdalena Röttig, sowie meinem Kollegen Thomas Lindlbauer (für die Bewältigung der aufwendigen Planung), den Schülerinnen und Schülern (für die Bewältigung des anstrengenden Programms) und den Eltern und Erziehungsberechtigten, die durch die Bereitstellung der finanziellen Mittel ihren Kindern die Fahrt ermöglichten.

StR Engin Mutlu